Der Fensteranstrich mit Leinöl-Bleiweißfarbe

Durch die Reaktion des Bleiweißpigments mit dem Leinöl entstehen derart elastische Anstrichfilme, dass sie weder bei Kälte, bei Wasseraufnahme oder bei Hitze reißen.
Bleiweißanstriche unterliegen freilich besonderen gesetzlichen Vorgaben. Denn grundsätzlich ist Blei ein giftiges Element. Die Verwendung von Bleiweiß ist durch eine europäische Verordnung – 8. Änderung (Richtlinie 89/677/EWG) der EU-Beschränkungsrichtlinie (76/769/EWG) in deutsches Recht, Abschnitt 8 des Anhangs zu § 1 ChemVerbotsV – beschränkt. Ihr zufolge ist die Verwendung von Bleiweiß als Anstrichfarbe generell verboten. Nur zum Schutz von Baudenkmalen gibt es Ausnahmeregelungen. Dabei benötigt der Eigner des Denkmals oder der beauftragte Handwerker eine Erlaubnis der zuständigen Denkmalsbehörde zur Verwendung von Bleiweiß.
Bleiweiß besitzt zwar eine hervorragende Haltbarkeit, doch kann durch Einwirkung von Schwefelwasserstoff eine Vergrauung stattfinden. Zumindest in geschlossenen Räumen ist daher eine dünne Lasur mit Zinkweiß sinnvoll.Verwendet man dagegen Zinkweiß im Außenbereich, ist die Haltbarkeit des Anstrichs wegen der Transparenz dieses Pigmentes deutlich geringer. Die UV-Strahlung dringt durch das Pigment hindurch und zerstört auch das Bindemittel darunter; ein viel schnellerer Abbau des Anstriches ist die Folge. Außerdem ist Zinkweiß ungiftig, so dass es keinen Schutz vor Pilzen oder anderen Schädlingen bietet.
Mit dem bestens deckenden, ungiftigen Titanweiß erhält man zwar eine bessere Haltbarkeit der Fensteranstriche als mit Zinkweiß, im Vergleich zu Bleiweiß ist es aber ebenfalls unbefriedigend. Denn zwar reagiert Titanweiß nicht unter Bildung von Leinölseifen mit dem Bindemittel, doch kann auch hier durchdringende UV-Strahlung zu einer Zerstörung des Bindemittels führen.

Wie stellt man die Farbe für den Farbauftrag her?
Das ideale Verhältnis von Pigment zu Leinöl gewinnt man durch Anreiben auf einer Anreibeplatte – von Hand mit einem Läuferstein oder Müller (Abb. 5) oder auch mit dem Walzenstuhl. Hierbei werden die Pigmentteilchen und das Bindemittel durch intensives Vermischen miteinander verbunden.
Im Idealfall erreicht man eine Mischung, bei welcher alle Pigmentteilchen mit einer Haut aus Bindemittel umgeben sind. Es gibt zwar einen Energiegewinn beim Benetzen der Pigmentteilchen durch das Bindemittel, allerdings werden die sehr starken Kohäsionskräfte der Pigmentteilchen erst durch die starken Scheerkräfte beim Anreiben überwunden. Der ideale Anreibezustand wird erst nach mehrmaligem Anreiben erreicht, denn die Oberfläche des Pigmentteilchens benötigt etwas Zeit zum »Reifen«, um sich mit dem Leinöl auf Dauer auf sozusagen »nächste Nachbarschaft« einzulassen.
Die Ölfarbe ist im idealen Anreibezustand gleichmäßig pastenförmig, ohne fließfähig zu sein. Eine kleine Menge mehr an Pigment würde die Masse bröslig machen, eine kleine Menge mehr an Öl würde die Paste zu weich machen.
Zum Anstreichen wird die Paste mit Halböl – einer Mischung aus Leinölfirnis und Shellsol T – auf die gewünschte Streichfähigkeit eingestellt. Beim Streichen muss die Farbe ganz dünn vertrieben werden, die Ölfarbe also ganz gleichmäßig aufgetragen sein. Läuft die Farbe, ist sie zu dünn, sieht man die Pinselspuren, ist sie zu dick.

Der zweite Farbauftrag
Für einen guten Schutz des Holzes braucht man mehrere Farbaufträge. Nach der Grundierung und dem ersten Farbauftragkommt der zweite Farbauftrag. Dieser wird genau wie der erste unter Beachtung der notwendigen Trockenzeiten aufgebracht.
Früher hat man manchmal auf der Außenseite der Fenster noch einen dritten Farbanstrich aufgebracht. Ich persönlich halte das jedoch für überflüssig, sofern man die Grundierung und die beiden Farbaufstriche sorgfältig genug aufbringt.
Der Anstrich bis hierher ist entscheidend für Haltbarkeit des Fensterholzes. Allerdings ist der Auftrag auf die Oberfläche recht matt, jedenfalls glanzlos. Außerdem führen Witterungseinflüsse in den ersten Monaten und Jahren zu einem schnellen Abbau der obersten Farbschicht und zu einem Angriff auf die noch junge Leinölfarbe. Die obersten Pigmentteilchen verlieren ihren Schutz durch das Leinöl, nur die unteren bleiben durch Leinöl gebunden. Um diesen anfänglich schnellen Abbau der Farbschicht zu verringern, wird ein so genannter »fetter« Schlussanstrich aufgebracht.

Autor
Dr. Georg Kremer
Datum
24.05.2016 - 13:35