Wann die Menschen das erste Mal Glas zum Verschließen von Gebäudeöffnungen verwendeten, kann zeitlich nichtgenau bestimmt werden. Der Wunsch nach einem durchsichtigem Material ist sehr alt, doch konnte er lange Zeit garnicht oder nur unvollkommen erfüllt werden. Im Altertum mußten Pergamente oder geölte Leinwände für die kleinen Fensteröffnungen ausreichen. Bis zum fünften Jahrhundert verwendete man in der Regel dünngeschliffenen Marmor oder Alabaster. Obwohl einige Funde im italienischen Raum die Fensterglasherstellung für das vierte und fünfte Jahrhundertbelegen, wurden dort Fenster wegen des enormen Aufwandes – von der Schmelze bis zum anschließenden Dünn- und Planschleifen der Flachgläser – noch im sechsten Jahrhundert nur sehr selten verwendet. In den Chroniken englischer Benediktinerklöster ist für das siebte Jahrhundert die Berufung von Glasmachern aus Gallien und später auch aus Deutschland zur Herstellung von Fensterglas belegt, wobei letzteres bis Ende des elften Jahrhunderts auf Klöster beschränkt war.
Der gezielte Glaseinsatz ist bis heutestets vom Stand der Technik abhängiggeblieben.
Lange Zeit wurden die eher dickenGlasplatten ausschließlich im Gießverfahren hergestellt und mit Werkzeugenglattgestrichen oder gewalzt. Mit derschon im ersten Jahrhundert n. Chr. erfundenen Glasmacherpfeife wurde dagegen zunächst ausschließlich kostbaresGefäßglas geblasen. Erst als verbesserte Schmelztechniken, Rezepturen undKenntnisse über die chemische Abläufe, die während des Schmelzens stattfinden, vorhanden waren, war man in derLage, aus einer vorgefertigten Kugel oder einem Zylinder mit unterschiedlichen Techniken das relativ dünne Flachglaszu erhalten.
Verglaste Fensteröffnungen galten bis ins Spätmittelalterals luxuriös. Im zwölften und dreizehnten Jahrhundertentstanden erste Waldglashütten für Gebrauchs- undFensterglas. In dieser Zeit wurden erstmalig Butzenscheiben, Teller- und Zylinderglas erwähnt. Die Veränderungenin der Konstruktion von Gebäuden, der Skelettbau unddas von Pfeilern, Spitzbögen und Rippengewölben gestützte Strebewerk, machten Mauern als statisches Element weitgehend unbedeutend und somit größere Fensteröffnungen möglich. Mit der Weiterentwicklung des Maßwerkes mit seiner Formvielfalt wurde dann auch das Bedürfnis nach wechselndem Glasdekor geweckt. Nun fandbemaltes Glas, zunehmend auch farblos und transparent, zum erstmals Anwendung. Der Lichteinfall hatte für das Gebäude - besonders für das sakrale - große Bedeutung. Man setzte die kostbare Verglasung vorwiegend in denHauptkirchen ein. Die davon abgeleitete Bezeichnung »Kathedraleglas« steht heute für eine nachempfundene Glasart, beschreibt jedoch nicht die Vielfalt der in gotischen Kathedralen verwendeten Glassorten.
Im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert etablierte der Aufstieg des Bürgertums eine Gesellschaftsschicht mitausgeprägtem Standes- und Selbstbewußtsein. Weiterentwickelte Kenntnisse aus neu eingerichteten Glashüttenmachten größere Fensteröffnungen möglich, wenn auch immer noch in kleinteiliger Gliederung. Das Fensterglas wurdeallmählich erschwinglicher und gewann auch für die Gestaltung des Innenraums zunehmend Bedeutung. In derRenaissance wurde es bereits in den Patrizierhäusern spielerisch als architektonisches Element eingesetzt.
Mit Schwarzlot oder Silbergelb bemalte Gläser sind seit dem fünfzehnten Jahrhundert, mit Schmelzfarben behandelteseit dem sechzehnten Jahrhundert bekannt. Beschichtungen mit Metallflüssen sowie Ätzungen setzten sich alsDekorationsmöglichkeiten durch.
Während Künstler und Architekten sich der Herausforderung stellten, unterschiedlichste Flächenaufteilungen undFarbkombinationen zu realisieren, suchten auch Glasmacher und Glaser stetig nach neuen technischen Lösungen. Indieser Zeit hatten Butzenscheiben einen Durchmesser von zehn bis zwölf Zentimetern. Bis zum fünfzehnten Jahrhundertwurden sie in gleichlaufenden Reihen und Zeilen angeordnet, später in versetzten, jedoch oft in Verbindung mit Randstreifen.
In der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts wurden auch rechteckige Scheiben kombiniert. Aus dieser Zeit stammen diemundgeblasenen und besonders dünnen Fenstergläser, die als »Mondglas« bezeichnet werden. Als »Mondglas«bezeichnete man aber andererseits auch solche Ronden, die – der Literatur zufolge – angeblich einen Durchmesser voneinem Meter aufwiesen. Es hieß, es wurde ein aus dem Randbereich herausgeschnittenes Segment zumeist alsRandstreifen im Glasfeld verwendet. Diese übergroßen Butzenscheiben, sollte es sie überhaupt gegeben haben, sindnie als ganze Scheibe eingesetzt worden. Fundstücke oder Beweise für diese Theoriefehlen bislang. Entsprechende üngere haben gezeigt, daß im mittleren Durchmesserauftretende Zugspannungen schon während der Herstellung zum Bruch führen. Zudemhätte die unterschiedliche Glasdicke für die Weiterverwendung technologischenUnsinn bedeutet. Für die Herstellung größerer Formate eignet sich nur die Zylinder- oder Tellerglasmethode.
Im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert wurden die meist durch Brändevernichteten Holzbauten durch Steinbauten ersetzt. Im Zuge dessen erfuhren also auchFenster noch während der Renaissance wesentliche Veränderungen. Die steigende Nachfrage veranlaßte die Glasmacher zur Entwicklung effektiverer Fertigungsverfahren. Entscheidende Fortschritte wurden im achtzehnten Jahrhundert gemacht. Die Verbesserungen in der Schmelztechnik brachten ein Flachglas hervor, das sowohl inseiner Qualität als auch in Größe und Form neue Einsatzmöglichkeiten bot. Diese Veränderungen beeinflußten die barocke Fenstergestaltung deutlich.
Bis ins neunzehnte Jahrhundert wurde Fensterglas ausschließlich manuell hergestellt. Man unterscheidet dabei generell zwei Verfahren.
Zum einen handelt es sich um eine direkte Formgebung. Das schmelzflüssige Glas wird auf vorgeheizte Tische gegossenen und anschließend, oft unter gleichzeitigen Ziehen, dünngewalzt. Man bezeichnet es als "gewalztes Glas", was nicht mit "Walzenglas" verwechselt werden darf. Zu dieser Gruppe zählen später die maschinell gezogenen Flachgläser. Die Oberfläche erhielt dadurch – ungewollt, aber auch ganz gezielt – spezifische Strukturen.
Die zweite Gruppe umfaßt die geblasenen Gläser. Man verwendet drei verschiedene Verfahrenstechniken. Zu den ältesten Fenstergläsern gehört die Butzenscheibe. Der Name leitet sich vom mittig sichtbarem Heftnabel her, dem Butzen. Die jüngsten Scheiben hatten einen Durchmesser von bis zu fünfzehn Zentimetern. Es gibt sie seit dem zwölften Jahrhundert, und sie werden auch heute noch vereinzelt gefertigt, seit einhundertfünfzig Jahren jedoch nicht mehr in der besonders dünnen Ausführung. Dieses Herstellungsverfahren ist verschollen.
Etwa im dreizehnten Jahrhundert entwickelte man das Tellerscheibenverfahren. Heute läßt sich belegen, daß der damit erzielte Durchmesser bis zu achtundzwanzig Zentimeter betragen konnte. Diese Methode wurde vor zweihundert Jahren zuletzt angewandt und ist in der Literatur mit dem Nachsatz versehen: "... über das Verfahren ist nichts bekannt.".
Größere Formate entstanden schließlich aus freigeformten Zylindern. Zuletzt waren Durchmesser bis zu neunzig Zentimeter und Längen von über zwei Metern möglich. Die Glaszylinder wurden nach dem Abkühlen aufgeschnitten und durch Wiedererwärmen in sogenannten "Strecköfen" zu Tafelglas umgeformt. Man bezeichnet diese als Walzen- oder Zylindergläser. Dieses Verfahren wird heute noch in wenigen Spezialhütten – allerdings für kleinere Formate – angewandt.
24.05.2016 - 13:49