Fensterlüftung und Raumklima im Wandel der Zeit

Die als Folge der Energiekrise im vergangenen Jahrhundert notwendig gewordene Energieeinsparung hat Folgen für die bauphysikalischen Anforderungen an Gebäude und für das Wohnverhalten. Die zunächst geforderte Erhöhung der Gebäudewärmedämmung wurde durch Anforderungen an die Gebäudedichtheit zur Reduzierung der Lüftungswärmeverluste ergänzt. Dichtere Fenster verlangen aber ein bewusstes Lüften, anders als früher, als man sich eher gegen Zugluft schützen musste, um erträgliche Raumklimaverhältnisse zu erreichen. Über das zweckmäßige und erforderliche manuelle Lüften über Fenster bestehen aber ziemliche Unklarheiten. Die Wechselwirkungen zwischen Luftfeuchte und Stofffeuchte sind wenig allgemein bekannt. Deshalb werden im Folgenden die physikalischen Grundlagen erläutert, die im Zusammenhang mit dem Wohnen wirksamen sind und berücksichtigt werden müssen.

Physikalische Grundlagen

Absolute und relative Luftfeuchte Die Aufnahmefähigkeit von Luft für Wasserdampf ist relativ gering. Ausgedrückt in Gramm Wasser pro Kubikmeter Luft (g/m³) wird der Wassergehalt als »absoluter Feuchtegehalt « bezeichnet. Dieser Feuchtegehalt hängt in starkem Maße von der Temperatur ab. Die in Abb. 1 dargestellte Wassersättigungskurve gibt den Zusammenhang zwischen dem maximal möglichen Wassergehalt der Luft und deren Temperatur an. Je wärmer die Luft ist, desto mehr Feuchtigkeit kann sie aufnehmen. Unterhalb der Taupunktkurve ist Wasser dampfförmig in der Luft vorhanden; oberhalb der Kurve fällt das überschüssige Wasser in flüssiger Form als Nebel, Tau oder Regen aus. Bei 20°C kann die Luft maximal 17,3 g/m³ Wasser aufnehmen; sie ist dann gesättigt (100% r.F.). 50% Luftfeuchte bedeutet, dass die Luft nur die Hälfte der maximal möglichen Wassermenge beinhaltet (8,65 g/m³). Die relative Angabe in % ist der in der Praxis gebräuchliche Wert zur Kennzeichnung der Luftfeuchte. Man muss aber bedenken, dass dabei immer die Temperatur der Luft mit in Betracht gezogen werden muss, um deren Feuchtegehalt zu bewerten. Auch die Tauwasserbildung kann mit Hilfe der Taupunktkurve veranschaulicht werden. Wenn Luft bei gleichbleibender absoluter Feuchte abgekühlt wird, dann steigt deren relative Feuchte bis schließlich Sättigung eintritt und dann Tauwasser ausfällt. Relativ trockene Luft kann bis zur Taubildung stärker abgekühlt werden als feuchtere Luft. Die Möglichkeit der Feuchteabfuhr durch Lüften (Trocknung) ist von der Temperatur der einströmenden Luft abhängig. Je kälter die Luft ist – auch wenn sie relativ feucht ist – eine umso niedrigere relative Feuchte gewinnt sie durch Erwärmen. Deshalb ist die Wirkung des Lüftens ganz wesentlich von der Temperatur der Außenluft abhängig.

Wasserdampf-Sorption von porösen Stoffen

Nicht nur Luft kann Wasserdampf aufnehmen, sondern auch poröse Materialien, in deren Poren und Kapillaren sich Wasserdampf einlagert, aber nicht abhängig von der Temperatur – wie bei der Luft – sondern abhängig von der umgebenden relativen Luftfeuchte. Wenn die Luftfeuchte steigt, dann nimmt die Stofffeuchte durch Absorption von Wasserdampf zu, wenn sie sinkt, dann nimmt der Feuchtegehalt wieder ab (Desorption). Diese Wechselvorgänge von Absorption und Desorption werden zusammengefasst als Sorption bezeichnet. Bekannt ist die Sorption z. B. von Holz, dessen Feuchtegehalt stark von der Umgebungsfeuchte abhängt, was durch damit verbundenem Quellen und Schwinden erkennbar wird. Auch von Kleidern ist aus dem Alltag bekannt, dass diese »klamm« (= feucht) werden, wenn man sie über Nacht zum Auslüften auf den Balkon hängt, weil nachts die relative Feuchte meist bei über 90% liegt.

Organische Stoffe wie Holz und Textilien haben eine hohe Sorptionsfeuchte. Bei mineralischen Baustoffen werden die Sorptionseigenschaften durch Art und Struktur der Poren bestimmt. Von dichten Stoffen, wie Glas oder Metalle, wird Wasserdampf nicht absorbiert. In Abb. 4 sind die Sorptionseigenschaften einiger Stoffe als Kurven bzw. Bereiche angegeben. Diese Kurven gelten für den stationären Zustand, wenn sich also der Feuchtezustand des Materials voll an die vorgegebene konstante Luftfeuchte angeglichen hat. Beim Wohnen treten aber vorwiegend instationäre Vorgänge auf, wie z. B. beim Kochen oder Lüften. Dabei kommt es darauf an, wie rasch die Wasserdampf-Sorption wirksam wird.

Hierüber wurden folgende Untersuchungen durchgeführt: Proben von Putzen und anderen Stoffen werden zunächst bei 20°C und 40% rel. Luftfeuchte bis zur Gewichtskonstanz bei abgedichteten Seitenflächen und Rückseiten gelagert. Sodann wird die Luftfeuchte auf 80% erhöht und dann die über die Vorderfläche absorbierte Feuchtigkeit in Abhängigkeit von der Zeit durch Wiegen ermittelt. Nach 24 Stunden wird die rel. Luftfeuchte wieder auf 40% reduziert und der...

Datum
24.05.2016 - 13:52