Während historische Fenster auf Flohmärkten reges Käuferinteresse finden, gibt es nach wie vor eine starke Tendenz, diese Bauelemente aus ihren architekturgeschichtlichen Zusammenhängen zu entfernen und durch neue Serienfenster zu ersetzen. Dabei ist die überwiegende Mehrzahl der Altfenster durchaus noch in einem reparablen Zustand, und die formale Qualität der neuen Fenster bleibt weit hinter ihren Vorbildern zurück. Der immense Verlust baulicher Gestaltwerte geht einher mit einem noch gravierenderen Verlust geschichtlicher Qualität, wie unsere historischen Stadtquartiere vielfältig beweisen. Denn mit dem Abriß der Fenster gehen zugleich wertvolle, anschauliche Dokumente der Wohnkultur und der Architekturgeschichte und unersetzliche, authentische Zeugnisse der Entwicklungsgeschichte des Fensterbaus und alter Handwerkskunst verloren. Die drängende Frage, warum die Mehrheit der betreffenden Hausbesitzer die Wertminderung ihres Eigentums, die mit dem Verlust historischer Originalfenster verbunden ist, so bereitwillig hinnimmt, ist eine Kernfrage der heutigen Baukultur und einer praxisorientierten Denkmalpflege.
Fenstersanierungen werden heute fast ausnahmslos mit dem Ziel verbesserter Funktionalität durchgeführt, die sich am zeitüblichen Fensterbau und insbesondere an seinen Standards der Wärmedämmung, der Dichtigkeit und Schalldämmung aber auch an seinen verdeckt liegenden Beschlägen und an seinem hohen Bedienungskomfort, an seiner Pflegeleichtigkeit und an seiner angeblich weitgehenden Wartungsfreiheit orientiert. Die Forderung solcher Verbesserungen, die angeblich im Bestand nur mangelhaft realisierbar sind, ist denn auch das Hauptargument, welches für den Austausch der alten Fenster gegen neue immer wieder geltend gemacht wird. Daß diese Argumentation, die in auffälliger Weise den Geschäftsinteressen der Fensterhersteller und Monteure entspricht, ernst genommen werden muß, zeigt schon die hohe Quote der Totalerneuerungen beim Bauen im Bestand. Die Frage ist aber, ob und inwieweit sie auch technisch zutreffend ist. Denn neben dem kulturhistorischen und ästhetischen Wert historischer Fenster gibt es durchaus auch eine Reihe von technischen Gründen, die für die Erhaltung des Bestandes sprechen.
Daß Bedienungskomfort und Pflegeleichtigkeit der meisten historischen Fenster durch keine sinnvolle Umrüstung auf den Stand moderner Isolierglasfenster gebracht werden können, liegt auf der Hand und gehört aus der Sicht des Gesetzgebers zu den im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums im Interesse der Allgemeinheit hinzunehmenden Verpflichtungen eines Denkmaleigentümers. Es soll deswegen hier auch weder Gegenstand von Bewertungsversuchen noch Inhalt weiterer Erörterungen sein. Das gleiche gilt auch für den von Fall zu Fall sehr unterschiedlichen Wartungsbzw. Instandsetzungsaufwand historischer Fenster, der nur in seltenen Fällen tatsächlich die Zumutbarkeitsgrenze überschreitet und dann Ansprüche an die öffentliche Hand auslösen kann. Im Vordergrund steht hier vielmehr die angestrebte Verbesserung technischer Werte, die sich den zeitüblichen Standards der Wärmedämmung, der Dichtigkeit und der Schalldämmung annähern. In jedem Fall stellt sich die Frage, welche Standardverbesserung für das jeweilige Haus und seine Bewohner wirklich sinnvoll ist, ob und wie dieser Standard eben nicht nur durch Erneuerung, sondern mit zumutbaren Kosten auch unter Bewahrung des historischen Bestandes erreicht werden kann.
24.05.2016 - 13:34