Weder als Handwerker noch Restaurator noch Denkmalschützer oder Architekt, sondern als Kaufmann mit internationaler Erfahrung habe ich mich über die Geschäftsführung einer französischen Firma zum Hersteller von Beschlagreplikaten entwickelt. Im Rahmen meiner Tätigkeit für einen französischen Markenartikler habe ich in Frankreich zur Renovierung meines damals in Norddeutschland erworbenen Bauernhofes die breite Palette traditioneller Bauelemente entdeckt. Dort war Tradition, wie auch im übrigen Europa, durch das Kriegsende nicht – wie bei uns – untergegangen. Aus dem Eigenbedarf entwickelte sich eine Firma unter dem Motto »Traditionelle Bauelemente«, die Sprossenfenster, Füllungstüren, Baluster etc. und auch Beschläge wie Espagnoletten, deutsch: Ruderstangen, aufliegende Getriebe, hier oft Baskül- Beschlag genannt, importierte.
Auf einer der Eisenwaren-Messen in Köln bin ich quasi vom Händler bzw. Importeur von französischen, Schweizer oder englischen Beschlägen zum Hersteller geworden. Auf der Messe fragte mich ein Berliner Beschlaghändler, ob ich nicht auch Beschläge nach alten Vorlagen herstellen könne. Ich konnte nicht, aber sagte ihm, ich traue mir zu, ihm ein Angebot zu machen. Es ging dabei um die opulenten Winkelbänder für den Martin-Gropius-Bau in Berlin. Bei einem Besuch auf dem Gerüst der damaligen Ruine entdeckte ich an einem der zahllosen Fensterreste diese Olive.
Den Auftrag für die Winkelbänder erhielt ich zwar nicht, jedoch den für die Fensteroliven und dann den Auftrag für den von dem betreuenden Architekten Winnetou Kampmann aus der Olive abgeleiteten Türdrücker, der auch noch einen Stahlkern haben musste. Produziert wurden diese Beschläge in der Schweiz bei einem meiner Lieferanten.
Nach der erfolgreichen Abwicklung dieses Erstgeschäfts habe ich erkannt, dass sich da eine viel versprechende Nische auftat und Interessenten aufgefordert, mir Beschlagsvorlagen zu liefern, von denen ich Replikate zu vernünftigen Preisen herstellen könne. In den ersten Jahren ließ ich viele Artikel im Ausland produzieren, doch der Zwang zu kürzeren Lieferzeiten und zu Qualitätskontrolle vor Ort machte es notwendig, dass meine Mitarbeiter sich ihnen vorher nicht bekannte Techniken aneigneten. Der dienstälteste Mitarbeiter, von Beruf Tischler, wurde zum begeisterten »Metaller«: jetzt dreht und fräst er Metallteile, schweißt, lötet, poliert und montiert – und ist immer der Mahner, wenn ich aufgrund des Drucks zur schnelleren Lieferung zulasse, dass weniger Sorgfalt aufgewendet wird.
Vor achtzehn Jahren war es dann soweit: wir fertigten fast ausschließlich Replikate historischer Beschläge. Die Sammlung der Vorlagen hat inzwischen ansehnliche Ausmaße angenommen.
Technische Anforderungen
Auch Baudenkmäler, die nach der Restaurierung ihrer alten Bestimmung dienen, unterliegen heutigen Sicherheitsbestimmungen – vor allem denen zum Brandschutz, zur Wärme und Schalldämmung sowie Einbruchsicherung. Umso mehr trifft dies zu, wenn die Gebäude eine Umnutzung erfahren, also Schlösser zu Hotels oder Tagungsstätten werden.
Eine Tür schottete in früheren Zeiten nur bedingt ab. Man baute Tore, um zu sichern, zu trennen, zu schützen. Heute ist eine Tür ein »Festungstor« – und dafür hat man dann Behördenschlösser genormt, damit in Behörden jede Türöffnung erobert werden muss. Türen müssen heute Aufgaben übernehmen, die Schall, Rauch, Feuer, Schüsse abhalten – und wie, frage ich mich, sollen diese Türen dann noch aussehen? Wie die Tür zu Luthers Kammer auf der Wartburg? Auch durch die neuen Türen würde der »Teufel« – wie auch jeder Profi – hindurchkommen können.
Türen hat man zwar auch schon früher überfälzt und in der Regel mit Fitschen angeschlagen. Tischler schätzen diese Arbeit nicht sehr und haben schon vor Jahrzehnten ihre Fitschenstemmer verschrottet. Dass Holz arbeitet, wissen sie nur zu gut und möchten Türbänder auch nachstellen können. Setzt der Tischler oder irgendein anderer Entscheider sich damit durch, Einbohrbänder zu verwenden, dann können nur noch Aufsteckhülsen die Fälschung verdecken. Fitschen mit Zierknöpfen nach alten Vorlagen stellen wir also nicht zu viele her.
Drückergarnituren nach alten Vorlagen herzustellen, ist kein Problem. Erst, wenn es um Rauch und Feuer hemmende Ausführungen geht, wird es kompliziert. Nach den geltenden Bestimmungen müssen Messing-Garnituren einen Stahlkern erhalten, welches bei einigen Vorlagen schlichtweg nicht möglich ist. Drücker müssen im Brandfall tausend Grad Celsius standhalten. Messing hat einen Schmelzpunkt von achthundert Grad Celsius und darf daher nicht verwendet werden. Gelegentlich haben die Behörden über diese Bestimmung hinweggesehen. Wer kann einen siebenhundert Grad Celsius heißen Drücker noch anfassen? Einen Ausweg haben wir manchmal darin gefunden, den Beschlag in Stahl zu gießen, dann zu polieren und zu vermessingen.
Eine andere Aufgabe ist es, z.B. vorhandene barocke Kastenschlösser auf Profilzylinder umzurüsten – und zwar so, dass der Zylinder nicht sichtbar und hinter einer neuen Schlüsselloch-Abdeckung verborgen ist. Fenster in denkmalgeschützten Gebäuden müssen heute dämmen, sie müssen dicht sein und auch Widerstand gegen Eindringlinge leisten – und doch möglichst viel Licht herein lassen.
Bevor verdeckte Getriebe – auch noch mit Dreh-Kipp-Funktion – die vorherrschende Art des Fensterverschließens wurden, waren Holzprofile minimalisiert. Beschläge brauchten wenig Platz darauf. Bei auswärts öffnenden Fenstern bildeten Ankettel, Einreiber und Ruderstangen die üblichen Verschlüsse.
Unter diesen Lösungen sind bei Stulpfenstern Ruderstangen (Espagnoletten) ein Verschluss, der jedes krumme Fenster gerade zieht, und selbst hundert Jahre lang durch den Maler nicht so zugeschmiert werden kann, dass die Ruderstangen die Fensterflügel nicht mehr anziehen.
Einwärts öffnende Fenster wurden – vorwiegend in romanischen Ländern – mit Ruderstangen oder mit aufliegenden Getrieben (auf französisch: Crémones) und vielfach bei uns mit Einreiberschlösschen oder Reibern geschlossen.
Bei heute stärkeren Profilen – schwerer Glasscheiben wegen – werden vorwiegend verdeckte Getriebe eingesetzt, d.h. der zu handhabende Beschlag besteht aus einer Kreuz- oder Halbolive in den genormten Standardabmessungen.
Wenn ich nicht besonders darauf aufmerksam mache, haben die Bohrungen für den Vierkant einen Durchmesser von 25 mm, die bei alten Oliven oft nicht abgedeckt werden. Ich bin jedes Mal besonders erfreut, wenn die Kunden dann bei uns reklamieren, statt bei dem Verursacher des Problems. Angenehm ist es, wenn der Planer oder das ausschreibende Büro gelegentlich um Formulierungshilfe bittet, was nicht...
24.05.2016 - 13:46